Übergänge – das ist ein Thema, dass mich bereits seit vielen Jahren beschäftigt. Nicht nur als Psychotherapeutin, sondern auch als Mutter und Mensch. Im Laufe eines Lebens gibt es viele Entwicklungsphasen, zwischen denen Übergänge eine Brücke bilden, vom einen in den anderen „Zustand“. Besonders wenn wir Kinder in ihrer Entwicklung aufmerksam begleiten, stellen wir fest, dass es unzählige dieser Übergangsphasen und -momente gibt.
Übergang als Zwischenraum
Ein Übergang bildet einen Zwischenraum, stellt eine kürzere oder auch längere Lücke zwischen zwei Situationen her. Tagtäglich erleben wir unzählige Übergänge, mehr oder weniger bewusst. Vom Wachsein ins Schlafen, vom Umarmen zum Loslassen, vom Kommen zum Gehen, von Aktivität zur Entspannung, vom Kranksein zum Gesundsein. Übergänge finden sich überall. Sie bilden eine Brücke, aber lassen auch einen Moment der Ungewissheit oder der Aufregung entstehen. Und je nachdem in welcher Verfassung wird sind, erleben wir diesen Übergang intensiv oder eher flüchtig. Wir gestalten den Übergang aktiv mit oder lassen ihn geschehen.
Ein Lebensthema
Und egal, was wir davon halten oder ob wir uns dessen bewusst sind, Übergänge betreffen uns alle und wir erleben sie täglich. Übergänge sind für mich ein zentrales Lebensthema und ich glaube, dass es unumgänglich ist, sich damit auseinander zu setzen.
Wie gestalte ich meine Übergänge? Wie möchte ich vom einen in den anderen Zustand wechseln? Was macht mir den Übergang leicht, was schwer? Wann schaffe ich den Übergang leichter allein, wann wünsche ich mir Begleitung? Wie schaffe ich Übergänge als Familie, für meine Kinder?
Es gibt einen bekannten Psychoanalytiker, den ich sehr schätze, der den Begriff des Übergangsraums geprägt hat. Donald W. Winnicott (1896-1971) nutzt diesen Begriff, um den Zwischenraum zwischen Innen- und Außenwelt zu beschreiben. Die Psychotherapie stellt einen solchen Übergangsraum zur Verfügung. Der Kontakt mit dem Therapeuten findet in einem sehr geschützten Rahmen statt, ist aber dennoch Teil der äußeren Realität. Manchmal kann der Eindruck entstehen, dass in der Therapie nicht „das echte Leben“ stattfindet und es ist eine zentrale Aufgabe der Therapeutin, diese Mischung aus subjektivem und realem Erleben, empathisch zu begleiten.
Psychotherapie in Übergängen
Aus meiner Sicht findet psychotherapeutische Begleitung vor allem in menschlichen Übergangen statt und gleichzeitig stellt sie eben einen solchen Übergangsraum zur Verfügung. Sie hat die wichtige Funktion, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, vom einen in den anderen „Entwicklungszustand“ zu geleiten. Wenn Übergänge durch äußere Umstände, wie zum Beispiel jetzt durch das Corona-Virus, nicht ausreichend fließend gestaltet werden können, entstehen oft große Unsicherheiten. Plötzlich ist keine Schule mehr und es gibt weniger Bewegungsräume. Die Eltern sind plötzlich für die Beschulung zuständig und arbeiten parallel von zuhause. Plötzlich dürfen Freunde nicht mehr nach Hause eingeladen werden usw.
Besonders bei meinen jungen Patient*innen bringt das zu den bestehenden seelischen Problemen, zusätzliche Ängste hervor. Klar ist, dass jeder Mensch ein anderes Bedürfnis hat, wie ein Übergang gestaltet werden sollte und dass es individuelle Unterschiede gibt, wie viel Vorbereitung ein Mensch für diesen Wechsel benötigt. Aber es wäre bestimmt für alle Menschen hilfreich, wenn wir das Augenmerk immer wieder auf die bewusste Gestaltung von Übergängen legen würden. Das ist sicher keine leichte Aufgabe, denn wir können vieles nicht voraussehen und einiges geht im alltäglichen Funktionieren müssen, unter. Aber manches Mal reicht es vielleicht auch schon aus, den holprigen oder beängstigenden Übergang zu bemerken und zu benennen. Denn dann bekommt dieses diffuse, unwohle Gefühl, was vielleicht beim Übertritt vom einen in den anderen Zustand, entstanden ist, mehr Kontur und Gestalt. Es kann dann leichter verarbeitet und integriert werden. Gut integrierte Erfahrungen und Gefühle tragen wesentlich zu seelischer Gesundheit bei. Und die ist in Zeiten von drohenden viralen Erkrankungen mindestens genauso wichtig, wie körperliche Gesundheit.
Gefühle dürfen sich zeigen
Als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin bin ich aktuell besonders gefragt, junge Menschen und ihre Familien in ihren Übergängen gut zu begleiten, ihnen einen therapeutischen Raum als Übergangsraum zur Verfügung zu stellen, in dem alles sein darf. Ein Raum, in dem auch Wut, Unmut und Unverständnis über die aktuelle Krise, Ausdruck finden darf. Im Spiel und im Gespräch. Ein Raum, in dem Trauer und Angst, Möglichkeiten finden sich zu zeigen und Lösungswege entwickelt werden, damit besser umgehen zu können. Aber auch ein Raum, sich zu freuen, dass beispielsweise keine Schule ist, dass die bisher als „krank“ empfundene Angst, jetzt viele Menschen betrifft und sich ein Einzelner nicht mehr so unnormal vorkommt.
Für mich ist diese Arbeit mit jungen Menschen und deren Familien sehr erfüllend. Ich stelle sehr gerne diesen Übergangsraum her und begleite in neue (Entwicklungs-)phasen hinein. Ich mag den Wechsel vom Einen ins Andere, mit all seinen Facetten. Und wenn dieser Tage Ihr Kind oder Sie als Eltern, Schwierigkeiten damit haben, den Übergang alleine zu gestalten, wenn Sie die vielen Veränderungen im Außen verunsichern, und Sie oder Ihr Kind, mit dem Anpassen nicht gut hinterherkommen, dann dürfen Sie sich gerne bei mir oder einem anderen Psychotherapeuten melden.
Möglichkeiten der Unterstützung
Aktuell machen die gesetzlichen Krankenversicherungen (und auch einige private Krankenversicherungen) vieles möglich, damit alle Menschen, die psychotherapeutische Unterstützung benötigen, diese auch erhalten. In vielen Fällen werden Video- und Telefongespräche kurzfristig angeboten und die Kosten dafür übernommen. Bitte scheuen Sie sich nicht, diese Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Manches Mal reichen wenige Gespräche aus, um sich klarer und entspannter zu fühlen und sich dann auch wieder gelassener um die Kinder kümmern zu können.
Meine Wünsche
Ich wünsche mir, dass wir alle nach dieser Corona-Zeit einen guten Übergang finden. Dass wir den Übergang vom Ausnahmezustand in eine andere Normalität gut meistern.
Besonders für die jüngeren Kinder wünsche ich mir, dass die Übergänge zurück in den Kindergarten, zur Tagesmutter oder in die Schule mit ausreichend Zeit und Geduld gestaltet werden können. Dass Eltern dabei unterstützt werden, von ihren Arbeitgebern und Familien, sich die Zeit für eine (Wieder-)Eingewöhnung ihrer Kinder nehmen zu können. Und dass Eltern sich mutig für diese Übergangszeiten stark machen und auch für ihre eigenen Bedürfnisse zur Übergangsgestaltung einstehen.
Und ich wünsche mir, dass es eine nachhaltige Auseinandersetzung damit gibt, wie es wichtig ist, Übergänge in unserem Leben zu gestalten und sich dafür Zeit und Raum zu nehmen. Für mich bildet das ein zentrales Fundament seelischer Gesundheit.
Bleiben Sie gesund!